Jüdische Gemeinde Lübeck Jüdische Gemeinde Lübeck

Jüdische Gemeinde Lübeck

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Synagoge

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Jüdische Gemeinde Lübeck Vergangenheit und Gegenwart.


Jüdische Gemeinde Lübeck

Die ersten jüdischen Familien, die sich 1656 im Dorf Moisling – außerhalb der Lübecker Landwehr gelegen – niederließen, waren vor den Pogromen des ukrainischen Kasakenaufstandes (1648 -57 unter Hetman Bogdan Chmelniecki) aus dem multinationalen Großreich Polen – Litauen geflohen. Der Eigentümer von Dorf und Gut Moisling, der Lübecker Bürgermeister von Höveln, der die aschkenasischen Juden aus ökonomischen Erwägungen ansiedelte, stieß damit auf starken Widerstand bei Rat und Bürgerschaft, die bis dahin eine jüdische Ansiedlung sowohl im Lübecker Stadt- als auch Landgebiet verhindert hatten. Nach einer Eskalation des Streits unterstellte von Höveln sein Dorf 1667 königlich-dänischer Territorialhoheit. Der Erbe, sein Schwiegersohn von Wickede, erlangte 1686 und 1697 aufgrund königlicher Konzessionen das Niederlassungsrecht für Juden in Moisling und deren beschränkte Handels- und Verkehrsfreiheit im dänischen Gesamtstaat. Doch die holsteinischen Juden bedurften, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten, für ihre Handelstätigkeit des Lübecker Marktes. Der aber blieb ihnen bis 1852 weitgehend verschlossen. Per Staatsvertrag zwischen Dänemark und Lübeck gelangte 1806 die Landeshoheit über Moisling an die Reichsstadt, wodurch die rechtlosen Juden Lübecker Staatsangehörige wurden; deren ungeregelter Rechtsstatus jedoch blieb bis 1848 unverändert.

Die traditionell gesetzestreue Gemeinde stellte 1825 einen altfrommen polnischen Rabbiner an, konnte 1827 eine neue Synagoge weihen und 1837 eine Elementarschule einrichten. Ihre politisch-rechtliche Emanzipation erlangten die Juden 1848 im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Modernisierungsprozesses der freien Hansestadt Lübeck. Die ökonomische und soziale Emanzipation bekräftigte abschließend und unwiderrufen ein 1852 verkündetes Gesetz. („Die Geschichte der Jüden in Moisling und Lübeck“ von Peter Guttkuhn)
Bereits 1812 hatte die neu entstandene jüdische Gemeinde Lübecks in der St.-Annen-Straße ein Grundstück erworben und dort eine Synagoge errichtet; allerdings konnte diese nur wenige Jahre genutzt werden. Denn nach dem Fall Napoleons wurden die jüdischen Familien aber wieder aus der Stadt vertrieben; sie durften erst nach der Märzrevolution 1848 hierher zurückkehren. Nach Wiederansiedlung jüdischer Familien in der Stadt kaufte die jüdische Gemeinschaft ein Gebäude in der Wahmstraße und baute es zu einer Synagoge aus; sie wurde im Jahre 1851 erstmals benutzt. Doch mit dem steten Wachstum der jüdischen Gemeinde wurde der Betsaal bald zu klein; so waren an hohen Feiertagen z.B. nur die verheirateten Frauen auf der Empore zugelassen, während die jungen Mädchen vom Besuch ausgeschlossen waren.

Als 1871/1872 nur noch knapp 30 Juden in Moisling lebten, wurde die Moislinger Synagoge geschlossen und die Thora-Rollen nach Lübeck gebracht; danach legte man das Gebäude nieder, um das Grundstück anderweitig zu nutzen. - Heute erinnert nur noch der um 1670/1680 angelegte Moislinger jüdische Friedhof (Niendorfer Straße) an die fast 200jährige Geschichte der Gemeinde; das Begräbnisgelände - das größte seiner Art im nördlichsten Bundesland - weist heute noch die besten erhaltenen Spuren einer jüdischen Kultur in Schleswig-Holstein auf.

Mit Hilfe eines langfristigen städtischen Darlehens wurde 1878 mit dem Bau der großen Lübecker Synagoge in der St.-Annen-Straße begonnen. Zwei Jahre später konnte die neue von Lübecker Architekten Ferdinand Münzenberger mit maurischen Stilelementen versehene Synagoge in der Altstadt - unter Teilnahme der gesamten Lübecker Prominenz - vom Rabbiner Dr. Salon Carlebach eingeweiht werden.

Seit 1904 bereichert das Israelitische Heim in unmittelbarerer Nachbarschaft die Stadt.

Um die Jahrhundertwende hatte die Zahl der Lübecker Juden mit ca. 670 Personen ihren Höchststand erreicht; dazu beigetragen hatte auch der Zuzug osteuropäischer Juden. Dass deren Zahl allerdings begrenzt war, war dem Wirken der hiesigen Polizeibehörden mit deren rigider Ausweisungspolitik zuzuschreiben. Zur Zeit der NS-Machtübernahme 1933 lebten ca. 500 Juden in der Stadt Lübeck; ihr Anteil an der städtischen Bevölkerung betrug nur knapp 0,4%. In den folgenden Jahren blutete die Gemeinde personell und materiell aus. Im Frühjahr 1934 eröffnete eine eigene private (schulgeldpflichtige) Volksschule, die von Rabbiner Dr. Winter geleitet wurde und bis zu dessen Auswanderung 1938 bestand. Bereits im Laufe des März 1933 war es in Lübeck zu ersten gezielten Aktionen gegen jüdische Geschäfte gekommen; auch Hausdurchsuchungen und öffentliche Diffamierungen gehörten bereits zu Beginn der NS-Herrschaft zum Lübecker Alltag.

Im Sommer 1938 lebten noch 293 jüdische Bürger in Lübeck. Auf Anordnung des Lübecker SA-Standartenführers Dr. Georg Währer wurde am 9.11.1938, dem „Revolutionsfeiertag“, die „spontane Volkskundgebung“ vorbereitet. An den antijüdischen Ausschreitungen beteiligten sich nahezu 200 SA- bzw. SS-Angehörige und Lübecker Gestapo-Beamte; sie zogen in mehreren Trupps durch die Innenstadt und überfielen Wohnungen und Geschäfte von Juden; Fensterscheiben gingen zu Bruch, auch wurde geplündert.

In der Pogromnacht von 1938 wurde die Lübecker Synagoge nur deshalb nicht in Brand gesetzt, weil sie zum einen unmittelbar an das „germanisch-arische” St. Annen-Museum grenzte und zum anderen bereits für einen Verkauf an die Stadt Lübeck vorgesehen war. SA-Trupps verwüsteten aber die Inneneinrichtung des Gebäudes; zuvor waren Wertgegenstände - wie Kultgerät und Silber - „sichergestellt“ und abtransportiert worden. Ein an der Synagogen-Außenfront befestigter Davidstern wurde heruntergerissen und als „Trophäe“ mitgenommen; er wurde anschließend einer Altmetallsammlung zugeführt.
Festgenommene jüdische Bürger wurden im Festsaal des gegenüberliegenden Logenhauses „Zum Füllhorn” eingesperrt; von ihnen wurden etwa 75 Männer ins KZ Sachsenhausen verfrachtet. 1939 musste die Jüdische Gemeinde das Synagogengrundstück verkaufen. Nach dem Zwangsverkauf erfolgte der Umbau zum sog. „Ritterhof“, wobei die Kuppel abgetragen und die Fassade umgestaltet wurde. Bis 1945 diente das teilweise abgerissene Gebäude als Turnhalle, Kindergarten und auch als Requisitenkammer der städtischen Lübecker Bühnen. Im Jahre 1941 löste sich die „Jüdische Kultusvereinigung Lübeck“ auf, nachdem ihr letzter Rabbiner, Dr. David Alexander Winter, nach Großbritannien emigriert war. Ab Ende 1941/Anfang 1942 wurden die Lübecker Juden meist nach Riga und Theresienstadt deportiert und ermordet.

Nach Kriegsende bildete sich in Lübeck eine neue jüdische Gemeinschaft; ihren ersten Gottesdienst hielt sie am 1.Juni 1945 in der die NS-Zeit überstandenen Synagoge in der St.-Annen-Straße ab. Lübeck entwickelte sich zur Durchgangsstation nach Palästina und unter ihrem Vorsitzenden Norbert Wollheim zum Zentrum jüdischer Aktivitäten in Schleswig-Holstein. 1968 löste sich die kleiner gewordene Gemeinde (1946 gehörten ihr etwa 400 Personen an) - sie stand unter dem Dach der Hamburger Kultusgemeinde - auf.

Am 25 März 1994 wurde der erste Brandanschlag auf eine Synagoge in Deutschland seit der Pogromnacht im Jahr 1938 verübt. Kurz nach zwei Uhr morgens werfen vier junge Männer (zwischen 19 und 24 Jahre alt) mehrere Brandsätze durch ein Seitenfenster. Die Wand- und Deckenverkleidung fängt sofort Feuer. Zwei Räume der Synagoge werden völlig zerstört. Die Flammen greifen auch auf die oberen Stockwerke über. Die fünf Bewohner, die dort schlafen, können in letzter Sekunde gerettet werden - dank der Aufmerksamkeit des damaligen Kantors der Jüdischen Gemeinde.
Die Solidarität war groß: Am Folgetag demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Lübeck und auch anderswo in Deutschland gegen den Brandanschlag im Norden.

Einer der vier gefassten Brandstifter gibt später zu, dass er sich massenweise Propagandamaterial der rechtsextremen DVU zuschicken ließ, um es im Bekanntenkreis zu verteilen. Nach Schätzungen des Lübecker Bündnisses gegen Rassismus gehören zur Zeit des Anschlags rund 100 Personen zur militanten rechten Szene der Hansestadt.

Der Prozess gegen die vier jungen Männer endet im April 1995 mit einer Verurteilung zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb bis viereinhalb Jahren.

Bereits ein Jahr später am 7. Mai 1995 brannte die Lübecker Synagoge erneut. Diesmal ging ein eingrenzender Schuppen in Flammen auf. Die Tat wurde nicht aufgeklärt.

Nach der sog. Wende entwickelte sich erneut jüdisches Leben in der Hansestadt, und es gründete sich im Herbst 2001 eine eigenständige Gemeinde, die 2005 bereits mehr als 800 Angehörige zählte; unter ihnen stellen die Kontingentflüchtlinge aus Russland und der Ukraine die übergroße Mehrheit. Ende 2004 erfolgte der Zusammenschluss der Jüdischen Gemeinde Lübeck und der Gemeindezentren von Flensburg und Kiel zur „Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein“, da sie dem bestehenden Landesverband nicht beitreten wollten. Derzeit setzt sich die Gemeinde aus etwa 600 Personen zusammen.

Die Gemeinde bietet Ihren Mitgliedern eine Bibliothek, eine Tanzgruppe, einen Chor und ein Jugendzentrum an. Darüber hinaus verfügt die Jüdische Gemeinde über einen erfolgreichen Seniorenclub, Deutschkurse für ältere Menschen, Kurse für Jiddisch und vieles mehr.

Gottesdienste werden aktiv besucht, und an den jüdischen Feiertagen kommt eine sehr große Zahl von Gemeindemitgliedern zusammen.

Bereits 2010 hatte der Vorstand der jüdischen Gemeinde die Sanierung des Gebäudes beschlossen, weil die Gemeindearbeit der stark wachsenden Gemeinde an ihre Grenzen stieß, und weil der Zustand des Fundaments, des Daches und des gesamten Gebäudes eine grundlegende Renovierung erforderten. Im Juli 2014 begann die eigentliche Sanierung, die aber 2016 aus Geldmangel ins Stocken geriet. Schließlich bewilligten Bund, Land und verschiedene Stiftungen weitere Mittel, sodass die Sanierung im November 2016 weiter gehen konnte.
Neben der nahezu originalgetreuen Wiederherrichtung des Gebetssaals mit seinen Wand- und Deckenmalereien im Stil der 1880er wurden auch Fußböden, Decken und die gesamte Haustechnik erneuert. Außerdem entstanden Räume für Vorträge und Seminare. Außerdem soll es von 2021 an eine Ausstellung zur Synagoge und dem jüdischen Leben in Lübeck geben. Die ursprüngliche Fassade im maurischen Stil wurde dagegen nicht wiederhergestellt. Die Fassade solle auch an die politischen Ereignisse des Jahres 1938 erinnern. Seit der Nachkriegszeit weisen ein Davidstern im Giebel und der Psalmvers 67,4 in hebräischen Sprache (Es danken dir, Gott, die Völker Ps 67,4 EU). Seit 1991 die Synagoge ist vom Bund als nationales Kulturdenkmal anerkannt und in der Objektliste der Gesellschaft für Denkmalschutz eingetragen.

Die Kernsanierung des Synagogengebäudes hat mehrere Jahre gedauert, kostete rund 10 Millionen Euro und knapp sechs Jahre lang konnten Gemeindemitglieder die Räumlichkeiten nicht nutzen. Dementsprechend mussten sie ihren Alltag in das nebenanstehende Wohngebäude (ehemaliges Israelitische Heim) verlagern, wo sich auch das Büro der Gemeinde befand.

Zu diesem Zeitpunkt sind alle Renovierungsarbeiten abgeschlossen. Alle sakralen Möbel wurden in Israel nach historischen Vorbildern hergestellt und der komplette Einbau der Möbel wurde von Handwerkern aus Israel und Manchester (GB) vor Ort durchgeführt.
Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Lübeck, insbesondere die ältere Generation, sind sehr froh, dass die Zeiten der Gottesdienste im Keller vorbei sind. Endlich können sie die Gottesdienste in der renovierten, mit wunderschönen sakralen Möbeln ausgestatteten Gebetshalle durchführen.

Ein langer Weg sei mit einem wunderbaren Ergebnis zu Ende gegangen.


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